Archiv für den Monat November 2011

Etikettenschwindel

«Nicht überall wo Gott drauf steht, ist Gott drin. Und umgekehrt.» So habe ich einmal in einer spontanen Abwandlung eines Satzes aus einem Fernseh-Werbespot formuliert. Dieser anfangs nicht ganz so ernst gemeinte Satz begleitet mich mittlerweile schon ein paar Jahre. Heute brauche ich ihn mit Überzeugung oft in Situationen, wo ich mit Leuten zu tun habe, die mit dem traditionellen Gottesbild Mühe haben, wie sie es von der Kirche und ihren Vertretern erleben oder erlebt haben.Diese Männer und Frauen haben Situationen erlebt, in denen viel von Gott die Rede war, aber wenig von seiner guten, die Menschen befreienden, lebenspendenden Kraft, die wir «Geist» nennen. Sie haben sehr oft ein ganz gutes Gespür für das, was wir Theologen «Gott» nennen. Sie finden es aber unpassend, ihre Erfahrung mit diesem Wort zu bezeichnen. Denn zu oft haben sie erlebt, dass das Wort «Gott» geradezu das Gegenteil von seinem eigentlichen Sinn bedeutet und bewirkt hat.

Diejenigen, die es im Munde führten, taten sich eher durch Einschüchterung und Machtmissbrauch oder durch Selbstrechtfertigung im Namen des Allmächtigen hervor, statt die Menschen, jedes einzelne Gegenüber als Gottes geliebte Geschöpfe zur Liebe zu ermächtigen.

Ich sehe hier als Theologe für mich eine doppelte Aufgabe:

Erstens diese Menschen dabei zu unterstützen, für sich eine neue Sprache zu finden, mit der sie ihre Erfahrung in Worte bringen können. Damit sie nicht wegen eines missbrauchten Wortes die damit verbundene Erfahrung und Wirklichkeit verlieren.

Und zweitens in der Erfahrung und in den errungenen Worten dieser Menschen einen wichtigen Beitrag zu entdecken. Einen Beitrag dazu, der letztlich nicht beschreibbaren Wirklichkeit Gottes in immer neuen und vielfältigen Bildern näher zu kommen.

Nur so bleibt Gott lebenswirksam und mehr als eine nette oder gar falsche Etikette!

Pfarreiblatt Zug Kolumne 11-49